Parkraum: Öffentlich überbucht – privat unterbucht

Eines der Hauptziele der Mobilitätsstrategie 2035 ist Flächengerechtigkeit und Flächeneffizienz. Ein großes Problem beim privaten PKW-Verkehr ist, dass ein PKW im Durchschnitt nur eine Stunde am Tag genutzt wird. Die restliche Zeit steht er geparkt. In München gibt es grob gesagt zwei Parkplatzmodelle:

  • öffentlicher Parkraum (oft am Straßenrand in Parklizenzgebieten für 30€/Jahr)
  • privater Parkraum (Tiefgaragenstellplätze zu marktüblichen Preisen)

In der Karte sieht man alle Parklizenzgebiete und die meisten Parkhäuser in der Innenstadt. Dazu die jeweilige Auslastung und Belegung (bei den Parkhäusern als Live-Daten)

Parkhaus: keine Daten verfügbar Parkhaus: unterbucht Parkhaus: gut ausgelastet (70%)
Parklizenzgebiet: unterbucht Parklizenzgebiet überbucht

Öffentlicher Parkraum – überbucht und günstig …

Die Anzahl der Parklizenzen (letzter Stand: 119.227) ist nicht begrenzt. Das führt dazu, dass in sehr vielen Parklizenzgebieten mehr Lizenzen verkauft sind, als es öffentliche Parkplätze gibt (alle roten Auto-Symbole auf der Karte). Das führt zu mehr Parksuchverkehr, mehr Lärm, Emissionen und sehr wahrscheinlich auch dazu, dass nicht immer jeder PKW regelkonform nach StVO abgestellt wird.

Es sind knapp 26.000 Parklizenzen mehr verkauft, als es Parkplätze gibt. Der Parkdruck ist hoch.

Einer der Hauptgründe, warum die Parklizenz so begehrt ist, dürfte der Preis sein. Sie kostet momentan 30 € im Jahr. Das ist im Vergleich zu anderen europäischen Städten sehr günstig. Die Stadt nimmt dadurch im Vergleich deutlich weniger Geld ein und stellt öffentlichen Raum stark subventioniert zur Verfügung.

Auch im Vergleich zu einem durchschnittlichen Münchner Tiefgaragenstellplatz ist die Parklizenz ebenfalls sehr günstig.

… privater Parkraum unterbucht

Gleichzeitig gibt es in der Stadt sehr viele private Parkhäuser, die parallel zu den öffentlichen Parkplätzen ebenfalls Platz für PKW anbieten. Wir werten auf autokorrekturmuc.de und unserem Twitter-Bot seit 19. September 2021 durchgehend die Auslastung der Parkhäuser in der Münchner Innenstadt aus (Parklizenzgebiete Altstadt und Hauptbahnhof).

Durchschnittlich sind von September 2021 bis zum Juli 2022 65 % der Parkplätze in den Innenstadtparkhäusern ungenutzt. Rein rechnerisch wäre es möglich, die meisten der 3.740 öffentlichen Parkplätze in der Innenstadt zu großen Teilen in die Parkhäuser zu verlagern.

Innenstadt ist nicht gleich Wohnquartier

Die Parkplatznutzung in der Innenstadt unterscheidet sich von den Münchner Wohnquartieren. In der Innenstadt kann jeder Münchner eine Parklizenz beantragen. Außerdem werden viele der öffentlichen Parkplätze eher von Touristen und Tagesbesuchern genutzt.

Tiefgaragen und Parkhäuser am Rand eines Wohnquartiers wären gut geeignet für Konzepte wie die Superblocks und die 15-Minuten-Stadt. Alle wichtigen Dinge des Alltags können die Bürgerinnen dabei innerhalb von 15 Minuten im Quartiersgebiet erledigen, die Viertel oder Wohnblöcke sind weitgehend vom Autoverkehr befreit. Wer ein Auto braucht, kann es am Rand des Viertels in einer Tiefgarage zu marktüblichen Preisen abstellen. Parkhäuser mit ungenutztem Parkpotenzial – so wie in der Innenstadt – wären dafür gut geeignet.

Wie sieht es jetzt also in den einzelnen Quartieren und Stadtvierteln aus? Die kurze Antwort:

Man weiß es nicht!

Auszug aus einer Antwort auf eine Stadtratsanfrage von FDP und Bayernpartei

Es liegen keine gesammelten öffentlichen Daten über die Kapazitäten und Auslastungen privater PKW-Stellflächen (und öffentlicher Parkhäuser) im Stadtgebiet vor.

Wir haben deshalb mal von Hand nachgezählt.

In einem kleinen Beispiel-Gebiet im dichten Haidhausen. In der Orleansstraße, zwischen Balanstraße und Rosenheimer Straße, gibt es zwei Bürokomplexe, die jeweils mit Tiefgaragen ausgestattet sind. Auf der Karte sieht man auch einen Bereich, der grob einen 800-Meter-Umkreis zu den Tiefgaragen markiert. 800 Meter sind eine vertretbare Entfernung für einen Autoabstellplatz.

Auslastungsanzeige der Tiefgaragen IHK / Motel One

Die Tiefgaragen von IHK / MotelOne an der Ecke Orleansstraße/Rosenheimer Straße haben digitale Anzeigen der freien Parkplätze. Diese haben wir über knapp einen Monat von Hand erfasst (Im Zeitraum lagen auch zwei Wochen Pfingstferien, die haben wir ausgeklammert). Das IHK-Parkhaus ist v.a. während der üblichen Bürozeiten von 8 bis 17 Uhr stärker ausgelastet (die freien Plätze gehen da schon mal auf 30 runter). An den Wochenenden ist es nahezu ungenutzt. Beim MotelOne ist es eher andersrum. Das sind die Durchschnittswerte:

2. Stock der Tiefgarage Orleanskarree an einem Arbeits-Montag um 9 Uhr

Der zweite Bürokomplex ist das Orleanskarre an der Ecke Orleansstraße/Balanstraße. Dort gibt es eine zweistöckige Tiefgarage, die leider keine digitale Anzeige hat. Wir haben uns die Garage deshalb an einem normalen Werktag (Montag um 9 Uhr) einfach mal angeschaut. Die Anzahl der Parkplätze und die Belegungen sind auf die Schnelle von Hand gezählt, die Wochenendwerte sind reine Schätzungen. An den meisten Stellplätzen hängen Schilder von Firmen, die die Parkplätze wohl bezahlen, aber nicht gut nutzen.

Die Gründe für die schlechte Auslastung der Tiefgaragen kann man nur vermuten. Vielleicht mehr Home-Office seit Corona oder es sind nicht alle Büroflächen vermietet. Und so lange Parklizenzen so günstig sind, besteht für private PKW-Besitzer weniger Anreiz, einen Tiefgaragenstellplatz zu buchen.

Könnte man die privaten Tiefgaragen anders nutzen? Stand jetzt: Schwierig. Viele private Betreiber müssen die Parkplätze aus rechtlichen Gründen (z.b. Stellplatzschlüssel) freihalten und müssen auch nicht rechtfertigen, warum Parkplätze ungenutzt sind. Ein Konzept für eine effektive Auslastung der Parkplätze liegt beim jeweiligen Betreiber.

Auszug aus einer Antwort auf eine Stadtratsanfrage von FDP und Bayernpartei

Fazit: Einiges deutet darauf hin, dass sowohl private als auch öffentliche Parkhäuser und Tiefgaragen eher schlecht ausgelastet sind, während öffentlicher Raum am Straßenrand überlastet ist. Das Mobilitätsreferat sieht es in der Antwort auf die Stadtratsanfrage aus “verkehrsplanerischer Sicht” als “sinnvoll” an, diesen ungenutzten Raum zu nutzen.

Auszug aus einer Antwort auf eine Stadtratsanfrage von FDP und Bayernpartei

Vorschlag

Wir haben dazu im Rahmen einer Bürgerbeteiligung zum Münchner Osten den Vorschlag eingereicht diesen Parkraum digital zu erfassen und aufzubereiten ein paar Ideen skizziert, wie man den Parkraum effektiver nutzen und gerechter verteilen könnte. Zum Wohle aller Anwohner, Parkplatzvermieter und auch der PKW-Besitzer:

  • Bürger*innen erhalten Zugriff auf eine digitale Stellplatzbörse, wo sie sich einen festen oder flexiblen Stellplatz buchen können
  • Die Eigentümer der Stellplätze haben grundsätzlich ein wirtschaftliches Interesse daran, so viel wie möglich Stellplätze zu vermieten. Über die digitale Stellplatzbörse erreichen sie neue Zielgruppen.
  • Gemäß der Mobilitätsstrategie 2035 des Mobilitätsreferats soll öffentlicher Parkraum (Parklizenzgebiete) zurückgebaut werden um mehr Flächengerechtigkeit zu erreichen. Wenn öffentliche Parkplätze wegfallen kann jedem Anwohner eine Stellplatzgarantie gemacht werden: „Über die digitale Stellplatzbörse garantieren wir Ihnen im Umkreis von xxx Metern einen privaten Stellplatz zu einem marktüblichen Preis“
  • Da die Tiefgaragen teilweise, je nach Tageszeit, sehr unterschiedlich ausgelastet sind, ist die Entwicklung eines intelligenten Parkleitsystems möglich, das per App jedem – Autonutzer, der keinen festen Stellplatz hat, einen flexiblen Platz zuweist (z.B. Besucher, die nicht vor Ort wohnen).
  • Feste Stellplätze würden den Parksuchverkehr (mehrmals um den Block fahren um irgendwas zu finden) minimieren und alle Anwohner*innen entlasten. Bessere Gesundheit und weniger Schadstoffemissionen wären die Folge.
  • Der Komfort für Autonutzer ist größer: fester Stellplatz steht immer zur Verfügung, kein Zeitverlust durch Parkplatzsuche, Plätze sind meistens überdacht und schützen vor Wetter
  • Marktübliche Stellplatzgebühren dürften (im Gegensatz zu den momentanen Parklizenzgebühren) eine größere Lenkungswirkung haben und Bürger*innen dazu motivieren vielleicht auf das eigene Auto zu verzichten. Ganz im Sinne der Mobilitätsstrategie 2035.
  • Mit dem Wegfall der öffentlichen Parkplätze gibt es neue Möglichkeitsräume im Viertel. Sichere Radwege, breite Fußwege, mehr Grün, mehr Verweil- und Begegnungsräume.

Anhang:

Quellen:
Daten zu den Parklizenzgebieten, Umrisse der Parklizenzgebiete, Parkhäuser in München, Echtzeit-Belegung der Parkhäuser in der Innenstadt,Tiergaragenpreise in München, Echtzeitdaten Innenstadt-Parkhäuser

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